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Blockierer Deutschland berät Entwicklungsländer bei Umsetzung von Anti-Korruptions-Konvention

Selbst blockieren - aber anderen Ländern gute Ratschläge erteilen: Seit neun Jahren tut Deutschland im eigenen Land nichts für die Umsetzung einer UN-Konvention gegen Korruption. Doch in Afrika und Asien zeigt das Entwicklungsministerium wie es geht.

von Martin Reyher, 18.09.2012

"Antikorruption und Integrität in der deutschen Entwicklungspolitik" heißt ein aktuelles Strategiepapier des Entwicklungsministeriums. Integrität ist in diesem Zusammenhang ein schönes Wort, es bedeutet "Übereinstimmung zwischen idealistischen Werten und der tatsächlichen Lebenspraxis".

Die deutsche Lebenspraxis sieht so aus: Wenn ein Lobbyist hierzulande einen Abgeordneten schmiert, hat der Lobbyist normalerweise nichts zu befürchten, und der geschmierte Politiker auch nicht. Strafbar ist im Zusammenhang mit unseren Volksvertretern lediglich der direkte Stimmenkauf, und das auch nur mit Einschränkungen.

Ein Gesetz, das Abgeordnetenbestechung wirksam unter Strafe stellt, wird seit 2003 von den jeweiligen Mehrheiten im Deutschen Bundestag blockiert. Besonders peinlich: Deutschland hat eine UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) vor neun Jahren zwar unterschrieben, aber im Gegensatz zu 161 anderen Ländern bis heute nicht umsetzen können. Denn die bei uns geltenden Anti-Korruptionsgesetze sind dafür zu lasch, sie erfüllen nicht einmal die erforderlichen Mindeststandards der Vereinten Nationen. Bislang ist in Deutschland überhaupt erst ein einziger Politiker - ein Gemeinderat aus dem brandenburgischen Neuruppin - wegen des Straftatbestandes "Abgeordnetenbestechung" (§108e StGB) verurteilt worden.

Doch andernorts hat die deutsche Entwicklungspolitik gute Ratschläge für die Umsetzung der UN-Konvention parat. Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wirbt auf seiner Homepage damit, "seit 2004 Kooperationsländer aktiv bei der Umsetzung der UNCAC" zu unterstützen. In über 70 Projekten leitet das BMZ nach eigenen Angaben seine Kooperationsländer im Kampf gegen Korruption an.

Eine Vielzahl von Entwicklungsländern hat sich durch die Ratifizierung der UN-Konvention zur Korruptionsprävention - und -strafverfolgung verpflichtet - von A wie Afghanistan bis Z wie Zambia. Doch ausgerechnet das Land, aus dem die Hilfestellung bei der Umsetzung der Konvention kommt, steht abseits. Auf der Ministeriums-Homepage heißt es zwar: "Glaubwürdiges Eintreten für Transparenz und die Prävention von Korruption setzt voraus, dass auch Deutschland die international vereinbarten Standards umsetzt." Doch verschämt wird hinterher geschoben: "2003 hat die Bundesrepublik die UN-Konvention gegen Korruption unterzeichnet – die Ratifizierung steht allerdings noch aus."

Durch schärfere Gesetze, so die Sorge vieler Volksvertreter, würden Abgeordnete in der freien Ausübung ihres Mandats gehindert. Deswegen treten sie seit Jahren kraftvoll auf die Bremse und verhindern so die Umsetzung der Anti-Korruptionskonvention.

Jenseits der eigenen Landesgrenzen legt sich Deutschland dagegen besonders ins Zeug. Nicht nur in den Entwicklungsländern ist die Korruptionsbekämpfung ein wichtiges Anliegen deutscher Politik, auch auf höchster internationaler Ebene treibt die Bundesregierung das Thema nach eigenen Angaben voran - "bei den Vereinten Nationen, der OECD, im Rahmen der G20 und auf anderen Plattformen", so Entwicklungsminister Dirk Niebel. Schließlich seien die Kosten und Konsequenzen von Korruption "verheerend". Warum dann in Deutschland die Umsetzung von internationalen Mindeststandards bei der Korruptionsbekämpfung seit Jahren konsequent blockiert wird, dazu möchte sich der Minister nicht öffentlich äußern. Er sei "nicht zuständig", ließ er auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks mitteilen (Video, Min. 4:26).

Vor einigen Monaten hat Niebels Haus seine Antikorruptionsstrategie veröffentlicht - ausgerichtet auf Entwicklungsländer, versteht sich. Bei der Erarbeitung und Umsetzung dieser Strategie sei dem Ministerium "die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft ein besonderes Anliegen" gewesen, so der oberste Dienstherr, Entwicklungshilfeminister Niebel.

Der Privatwirtschaft ist die deutsche Doppelzüngigkeit inzwischen allerdings äußerst peinlich. An die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen schrieben die Chefs der größten deutschen Unternehmen Ende Juli einen geharnischten Brief. "Das Ausbleiben der Ratifizierung der UNCAC schadet dem Ansehen der deutschen Wirtschaftsunternehmen in ihren Auslandsaktivitäten", so die Manager in ihrem Schreiben, das abgeordnetenwatch.de vorliegt. Und weiter:

Ein demokratisches Land wie Deutschland muss international insgesamt glaubwürdig sein und darf sich nicht unnötig angreifbar machen. (...) Unternehmen unterliegen in vielen Ländern – zum Teil extraterritorial angewandten – Vorschriften gegen Korruption mit weitreichenden Folgen auch für Mitarbeiter. Eine angemessene Regelung für deutsche Abgeordnete sollte daher nicht länger auf sich warten lassen. Der Bundestag sollte mit der Novellierung des §108e StGB ein Zeichen setzen und damit verdeutlichen, dass alle deutschen Parlamentsmitglieder Integrität für eine selbstverständliche Pflicht halten. Integre Abgeordnete brauchen sich vor schärferen Regelungen nicht zu fürchten. (...) Wir möchten Sie bitten, sich in diesem Sinne für eine baldige Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen einzusetzen.

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abgeordnetenwatch.de eine Petition gestartet, in der die Mitglieder des Deutschen Bundestags aufgefordert werden, sich für die Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption einzusetzen. Bis heute wurde die Petition von über 14.000 Menschen gezeichnet.

Die Petition können Sie auch über dieses Formular mitzeichnen: Einfach ausdrucken, ausfüllen, unterschreiben und per Post oder Fax an uns schicken.

Bis zum 17. Oktober, wenn sich der Rechtsausschuss mit dem Thema befasst, wollen wir mindestens 15.000 Unterschriften gesammelt haben. Diese werden wir im Deutschen Bundestag überreichen.

Was kann ich tun?

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