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NRW-Landtagsabgeordnete müssen Nebeneinkünfte künftig komplett offenlegen

SPD und Grüne in NRW wollen die Landtagsabgeordneten in Kürze zur kompletten Veröffentlichung ihrer Nebeneinkünfte verpflichten. Der Vorstoß kommt einer kleinen Revolution gleich - eine Komplettoffenlegung existiert derzeit weder im Bundestag noch in einem deutschen Landesparlament.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 14.01.2014

"Es gibt keine rechtlichen Hindernisse, alle Nebenverdienste nach Euro und Cent offenzulegen", erklärte Sigrid Beer, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im NRW-Landtag, gegenüber abgeordnetenwatch.de. "Die Frage der Nebeneinkünfte steht jetzt ganz oben auf der Liste. Wir werden einen entsprechenden Gesetzesentwurf im ersten Quartal 2014 ins Parlament bringen."

Der Parlamentarische Geschäftsführer des Koalitionspartners SPD, Marc Herter, sagte abgeordnetenwatch.de, das Gesetz solle "möglichst wenige Ausnahmen zulassen - auch nicht für Anwälte oder Freiberufler. Es soll mögliche Interessenkonflikte aufdecken und Unschärfen auf ein Minimum begrenzen."

Die Piraten begrüßten die geplanten Offenlegungspflichten. Allerdings sei es "scheinheilig und falsch", wenn SPD und Grüne diese Idee nun als „ihre Transparenz-Initiative“ bezeichneten, so die Transparenz-Beauftragter der Piratenfraktion im NRW-Landtag, Michele Marsching, gegenüber abgeordnetenwatch.de. „Wir hatten unsere Forderung, dass Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte centgenau offenlegen müssen, bereits in die Arbeitsgruppe aller fünf Fraktionen eingebracht – doch leider hatten damals die anderen Fraktionen unseren Vorschlag nicht übernommen."

Die CDU zeigte sich zunächst zurückhaltend. Man werde die Gespräche über neue Richtlinien "ergebnisoffen" führen und sich einer "sinnvollen und praktikablen Neuregelung nicht verschließen", erklärte CDU-Fraktionsgeschäftsführer Lutz Linienkämper in der Rheinischen Post. Dass Freiberufler und Anwälte nach den Plänen der rot-grünen Koalition keinen Sonderstatus - wie etwa derzeit im Bundestag - erhalten sollen, dürfte bei den betroffenen Abgeordneten von CDU und FDP für Gegenwehr sorgen. "Wer sein Gehalt offenlegen muss, hat als Unternehmer möglicherweise gegenüber Konkurrenten erhebliche Wettbewerbsnachteile", hieß es laut Rheinischer Post aus Fraktionskreisen. Außerdem müsse es Juristen möglich sein, ihre Mandate zu schützen. Bundestagsabgeordnete von Union und FDP wehren sich mit diesen Argumenten seit Jahren gegen weitreichende Transparenzpflichten - bislang erfolgreich.

Weder im Bundestag noch in einem anderen Landesparlament müssen Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte auf Euro und Cent angeben. Noch zum Ende der vergangenen Wahlperiode verweigerten Union und FDP im Bundestag ihre Zustimmung zu einer Komplettoffenlegung. Bundestagsabgeordnete müssen ihre Nebeneinkünfte lediglich in zehn Stufen angeben, bis zu dieser Wahlperiode waren es sogar nur drei Stufen. Durch die Stufenangaben lassen sich große Teile der Verdienste verschleiern, wie abgeordnetenwatch.de am Beispiel von Peer Steinbrück (SPD) und Heinz Riesenhuber (CDU) gezeigt hat.

Verschleierungsmöglichkeiten wird es im NRW-Landtag künftig keine geben, sofern sich SPD und Grüne an die jetzt gemachten Zusagen halten. Eine Transparenzoffensive tut in Nordrhein-Westfalen auch dringend Not: Bislang müssen Landtagsabgeordnete keinerlei Angaben zu ihren Nebeneinkünften veröffentlichen. Meldepflichtig sind zwar Einkünfte über 12.000 Euro pro Jahr, allerdings werden die Angaben von der Landtagspräsidentin vertraulich behandelt.

Die Abgeordneten von Grünen und Piraten legen bereits jetzt ihre Nebenverdienste freiwillig offen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Herter erklärte gegenüber abgeordnetenwatch.de, im Vorgriff auf die neuen Transparenzregeln veröffentliche auch er seine Einkünfte auf der eigenen Homepage.

abgeordnetenwatch.de begrüßt den Transparenzvorstoß der rot-grünen Koalition in NRW. Nun sind die übrigen Landesparlamente sowie der Deutsche Bundestag gefordert, diesem Beispiel zu folgen.

Nachtrag 23. Januar 2014:
Auch im Landtag von Thüringen sollen die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte demnächst offenenlegen, meldet der MDR. Das Landesparlament beschloss am Mittwochabend die Einführung einer Regelung, die sich am Bundestag orientiert. Einkünfte müssen dort nicht - so wie für den Landtag NRW geplant - in Euro und Cent veröffentlicht werden, sondern lediglich in mehreren Stufen - von 1.000 Euro (Stufe 1) bis 250.000 Euro und mehr (Stufe 10). Die SPD-Landtagsabgeordnete Dorothea Marx bezeichnete die neuen Regelungen laut MDR als Fortschritt, auch wenn sich ihre Fraktion nicht in allen Punkten gegen den Koalitionspartner CDU durchgesetzt habe. Kritik kam von Grünen und Linken, für die die neuen Transparenzregeln nicht weit genug gehen. Bedenken äußerte der FDP-Abgeordnete Dirk Bergner. Wenn die Transparenzregelungen zu weit getrieben würden, könnten weniger Menschen für den Landtag kandidieren.

Foto: Matthias Neugebauer / Flickr / CC BY-NC 2.0

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