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Warum der Gesetzentwurf gegen Abgeordnetenbestechung untauglich ist

Die Große Koalition will Abgeordnetenbestechung endlich unter Strafe stellen - klingt gut, doch in der Praxis dürfte das Gesetz ins Leere laufen. Denn dass ein Parlamentarier “im Auftrag oder auf Weisung” gehandelt hat, wird ihm so gut wie nicht nachzuweisen sein.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 11.02.2014

 

Screenshot Gesetzentwurf Abgeordnetenbestechung

Diätenerhöhung und die Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung - für die Große Koalition gehören diese Themen offenbar eng zusammen. Bei den Fraktionssitzungen von CDU/CSU und SPD am heutigen Nachmittag dürfte beides auf der Tagesordnung stehen.

Das Problem ist nur: Der vorliegende Gesetzentwurf gegen korrupte Politiker ist weitestgehend untauglich, denn er entpuppt sich bei genauem Hinsehen als ziemlich stumpfes Schwert. Und so wirkt das "Anti-Korruptionsgesetz" der Großen Koalition vor allem wie eine Beruhigungspille für das Volk nach dem Motto: Wenn sie sich schon die Diäten erhöhen, dann geht es jetzt wenigstens den Korrupten unter ihnen an den Kragen!

Doch so sieht es nicht aus - die Formulierung zur Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung droht nämlich in der Praxis ins Leere zu laufen.

Denn anders als bei Beamten soll eine Vorteilsannahme unter Abgeordneten nur dann vorliegen, wenn der oder die Abgeordnete eine Handlung “im Auftrag oder auf Weisung” vornimmt. Kein Vorteilsgeber und kein Mandatsträger ist aber so dumm, sich von einem Dritten beauftragen zu lassen oder sich dessen Weisungen zu unterwerfen. Denn "im Auftrag" bedeutet qua Definition, dass ein solcher erteilt und angenommen wird und schließlich in einer Verpflichtung für den Abgeordneten mündet. Und für die Erteilung einer Weisung wiederum braucht es ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Vorteilsgeber, zum Beispiel einem Unternehmer, und dem Politiker, den er zu bestechen versucht. All dies wird in der Praxis kaum nachzuweisen sein.

Die Große Koalition scheint diese Lücke auch erkannt zu haben und schreibt in der Begründung des Gesetzentwurfes, die Formulierung “im Auftrag oder auf Weisung” sei nicht juristisch gemeint sondern im allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehen. Doch gerade im Strafrecht ist der Wortlaut von besonderer Bedeutung für die Auslegung der Norm. Es wird Gerichten schwer fallen, ein Gesetz gegen den Wortlaut auszulegen. Die Formulierung ‘im Auftrag oder Weisung’ muss daher aus Sicht von abgeordnetenwatch.de dringend gestrichen werden, weil sie den Beweis einer strafbaren Vorteilsannahme praktisch unmöglich macht.

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Im folgenden unsere ausführliche Bewertung zum Gesetzentwurf gegen Abgeordnetenbestechung:

Der Entwurf der Großen Koalition ist vor allem in einem Punkt höchst bedenklich: Die Handlung des Abgeordneten muss im Auftrag oder auf Weisung vorgenommen werden.

Nach der Begründung des GroKo-Entwurfs wird damit auf Art. 38 GG Bezug genommen. Nach dieser Verfassungsnorm ist der Abgeordnete „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen“. Für die Unrechtsvereinbarung bei Vorteilsannahme lässt sich daraus aber nichts herleiten. Im Gegenteil: Nachdem durch das Grundgesetz bereits klargestellt ist, dass hinsichtlich der Mandatsausübung Aufträge und Weisungen ausgeschlossen sind, würde eine daran anknüpfende Regelung praktisch leer laufen.

Kein Vorteilsgeber und kein Mandatsträger ist so dumm, sich von einem Dritten beauftragen zu lassen oder sich dessen Weisungen zu unterwerfen. Jedenfalls werden solche Vereinbarungen in keinem Falle nachweisbar sein.

Die Formulierung sollte schon deswegen nicht zur Voraussetzung für eine strafbare Vorteilsannahme gemacht werden. Sie würde jedenfalls wiederum eine besonders qualifizierte Unrechtsvereinbarung verlangen, die einem Auftrag oder einer Weisung zumindest ähnlich sein oder ein imperatives Moment enthalten muss. Das ist viel zu eng und entspricht wohl auch nicht der Lebenswirklichkeit: Vorteile werden einem Mandatsträger nicht im Zusammenhang mit einem Auftrag oder einer Weisung, sondern in der bloßen für den Mandatsträger erkennbaren Erwartung eines bestimmten Verhaltens gewährt.

Fazit: Die Formulierung “im Auftrag oder Weisung” ist aus unserer Sicht eine unzulässige, weil viel zu weitgehende Einschränkung des Tatbestands. Es wird für die Justiz ohnehin schwierig nachzuweisen sein, dass eine Unrechtsvereinbarung zwischen dem Vorteilsgeber und dem Mandatsträger besteht. Dass der Mandatsträger aber zudem noch im Auftrag oder auf Weisung gehandelt hat, wird praktisch nie nachweisbar sein. Denn ein Auftrag wird erteilt und angenommen und mündet in einer Verpflichtung für den Mandatsträger. Für die Erteilung einer Weisung wiederum braucht es ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Vorteilsgeber und Mandatsträger.

Zwar wird die Formulierung in der Begründung relativiert. So sei die Formulierung “im Auftrag oder Weisung” laut Begründung “im Sinne eines allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen” (Seite 8 Gesetzentwurf). Doch gerade im Strafrecht ist der Wortlaut von besonderer Bedeutung für die Auslegung der Norm. Die Gerichte werden in ihrer Auslegung kaum vom Wortlaut der Norm abweichen können. Der Gesetzgeber muss im Gesetz möglichst klar sagen, was er meint.  Folgt man der Begründung des Entwurfes, bringt der Wortlaut “im Auftrag oder Weisung”  das vom Gesetzgeber Gemeinte gerade nicht zum Ausdruck.

Die Formulierung “im Auftrag oder Weisung” muss daher dringend gestrichen werden, weil sie den Beweis einer strafbaren Vorteilsannahme praktisch unmöglich macht.

 

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