Dr. Michael Stöhr: Was Europa jetzt braucht.
Michael Stöhr
ÖDP
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Frage von Wolfgang J. •

Welche 3 Themen willst Du im Europaparlament als Erstes angehen?

Dr. Michael Stöhr: Was Europa jetzt braucht.
Antwort von
ÖDP

Die ÖDP fordert, dass das Europaparlament (EP) ein Initiativrecht erhält, das heißt das Recht, selbst Gesetzesvorlagen zu erstellen. Das wäre ein Schritt hin zu mehr Demokratie in Europa. Leider bestimmt im Moment noch die Europäische Kommission, womit sich das EP befassen kann und auch das Initiativrecht des EP kann nicht einfach durch das EP selbst auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die genauen Inhalte und die zeitliche Abfolge, in der die Themen in der Legislaturperiode von 2024-2029 auf den Tisch kommen, stehen noch nicht fest. Allerdings kann ich sagen, welche drei Themen ich besonders dringlich finde und gerne sehr schnell behandeln möchte:

(1) Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

Diese wird bald diskutiert werden, da sie für die Zeit nach 2027 neu bestimmt werden muss. Zum Schutz des Wassers, der Böden und der Artenvielfalt, aber auch zum Klimaschutz ist hier dringend ein Umsteuern erforderlich, für das ich mich stark machen möchte.

  • Abschaffung der pauschalen Flächenförderung und Ausrichtung der Zahlungen an Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft (Erhalt der Artenvielfalt, Gewässerschutz, Bodenschutz und Humusaufbau, Klimaschutz, Erhalt der Kulturlandschaft, Tierwohl).
  • Vergabe der Fördergelder anhand eines Punktesystems auf Basis leicht zu erfassender Betriebsdaten, so dass der bürokratische Aufwand gerade für kleine Betriebe deutlich geringer ist als im Moment.
  • Förderung der Vielfalt natürlich gezüchteter und an lokale Gegebenheiten angepasster Nutzpflanzensorten und Nutztierrassen statt vermeintliche Optimierung durch Gentechnik, die durch Patentierung, Lizenzzahlungen und Verteuerung von Saatgut sowie ggf. daran angepasste Pflanzenschutzmittel nur wenigen großen Firmen nutzt.

(2) Dezentralisierung von Versorgungsstrukturen

Das ist ein Querschnittsthema, das ich bei verschiedenen Vorlagen adressieren kann, die auf den Tisch kommen werden. Es ist wichtig, da hier oftmals mehrere Ziele gleichzeitig erreicht werden können.

  • Dezentrale Versorgung mit Lebensmitteln, Energie und andere Grundversorgung ist Voraussetzung dafür, dass in Krisenzeiten keine Versorgungsengpässe entstehen, wie wir sie in der Corona-Zeit erlebt haben.
  • Eine dezentrale Energieversorgung nach dem Energiekonzept der ÖDP ist eine Form der Landesverteidigung ohne Waffen: Anders als in der Ukraine gerade zu beobachten, muss ein Angreifer dann eine fünfstellige Zahl an Zielen erfolgreich treffen, um Deutschlands Energieversorgung nennenswert zu beeinträchtigen. Dieser Aufwand kann abschrecken.
  • Bei dezentraler Versorgung kommen Bürger:innen, Landwirte, kleine und mittelständige Unternehmen zum Zug, nicht nur große Konzerne. Die Versorgung ist näher an den Bürger:innen, sicherer, oftmals kostengünstiger, es verdienen viele daran ein wenig, nicht nur wenige sehr viel, die Schere zwischen Arm und Reich schließt sich, die Gesellschaft wird stabiler.

(3) Gemeinwohl aller statt Profit weniger

Auch das ist ein Querschnittsthema und es wird bereits durch eine Ausrichtung der Ausgleichszahlungen an Landwirte an Gemeinwohlleistungen und durch die Dezentralisierung von Versorgungsstrukturen adressiert. Allerdings steckt es in vielen Themen drin, die einen anderen Namen tragen:

  • Förderung des öffentlichen Verkehrs statt des individuellen motorisierten Verkehrs, mehr Geld für günstigen Bahnverkehr, ÖPNV, Rad- und Fußwege statt für Straßenbau. Das ist sozial, weil es auch finanziell schlechter gestellten Menschen Mobilität ermöglicht, es spart Flächen, Rohstoffeinsatz und Energie, es ist umwelt- und klimafreundlich. Die Struktur- und Regionalfonds müssen entsprechend ausgerichtet werden.
  • Förderung der Forschung und Entwicklung von Technologien, die von vielen genutzt werden können und allen dienen statt nur wenigen. Dazu gehört, dass diese Technologien von klein- und mittelständigen Unternehmen u.a. eingesetzt werden können, nicht nur von großen. Was aus Steuergeldern finanziert wird, davon müssen viele ein wenig profitieren können, nicht nur wenige sehr viel. Das Forschungsrahmenprogramm, das ab 2028 auf Horizon Europe folgt, muss entsprechend ausgerichtet werden. 
  • Die Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge und zur Erteilung von Subventionen, die angelegten Mehrwertsteuersätze und vieles mehr, was auf europäischer Ebene festgelegt wird, muss berücksichtigen, ob etwas eher dem Gemeinwohl aller dient oder eher dem Profit weniger.
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