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Kazim Abaci
SPD
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Frage von Siegfried S. •

Warum wurde die "Kalifat-Demo" nicht verboten? Wie rechtfertigen Sie dies? Dürfen dann bald auch Reichsbürger friedlich für ein 4.Reich demonstrieren? Werden Sie Extremisten als Lehrer verhindern?

Wie rechtfertigen Sie dass eine solche Demo einer Gruppierung gestattet wurde die der Hamburger-Verfassungsschutz als gesichert extremistisch einstuft?

Würden Sie im Umkehrschluss auch eine Demo von Reichsbürgern und Rechtsextremisten gestatten, auf der die BRD und das Grundgesetz verhöhnt/verunglimpft werden und die Schaffung eines 4.Reiches gefordert wird,solange alles "friedlich" bleibt?

Wird bei Islamisten und Neonazis/Rechtsextremisten/Reichsbürgern mit zweierlei Maß gemessen?

Wie weit geht die Meinungsfreiheit, wenn allen "Ungläubigen" oder dem Westen allgemein mit "Konsequenzen" gedroht wird sobald das Kalifat erst einmal entstanden ist?

Darf der Anmelder der Demo, Joe Boateng, in Hamburg nach Abschluss seines Lehramtsstudiums dann Kinder mit seinen extremistischen Gedankengut indoktrinieren oder wird ihr Kabinett dies mit allen Mitteln verhindern?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.

vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit zum Austausch mit Ihnen geben. So kann ich Ihnen meine Sicht auf die Sachverhalte darlegen:

 Zunächst ist für mich und für uns als Hamburgische SPD-Bürgerschaftsfraktion klar: Extremismus und Verfassungsfeinde haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Daher gehen die Hamburger Sicherheitsbehörden mit den rechtlich möglichen Mitteln konsequent gegen diese Aktivitäten vor. Dazu haben sie unsere volle Rückendeckung. Die Verfassungsschutzbehörden haben extremistische Vereinigungen fest im Blick, das gilt insbesondere auch für „Muslim Interaktiv e.V“. 

 Versammlung am Samstag, den 27. April 2024

 Grundsätzlich gilt: Deutschland ist ein Rechtsstaat, in dem Gewaltenteilung herrscht. Es ist nicht die Aufgabe der Landesparlamente, über das Verbot von Demonstrationen zu entscheiden. 

Im Vorfeld der Demonstration von "Muslim Interaktiv e.V."  hat die zuständige Versammlungsbehörde intensiv geprüft, ob die Versammlung untersagt werden kann. Die Versammlungsfreiheit ist grundrechtlich geschützt, das gilt auch für Extremisten. Ein Verbot wäre daher ein gravierender Eingriff und kommt nur als letztes Mittel und bei entsprechender Gefahrenprognose in Betracht. Hierzu müssen konkrete Hinweise für gewalttätige Ausschreitungen vorliegen. 

Die Polizei hatte für die angemeldete Versammlung die Voraussetzungen für ein Verbot verneint - diese Einschätzung kann sich allerdings in Zukunft auch zuungunsten von „Muslim Interaktiv“ ändern. Es wurden strenge Auflagen erlassen und den Teilnehmern per Lautsprecher zu Beginn der Versammlung in deutscher und arabischer Sprache mitgeteilt. Die Polizei hat die Versammlung zudem mit einem Großaufgebot begleitet und somit die Sicherheit gewährleistet. Die Staatsanwaltschaft prüft im Nachgang der Demonstration, ob einige der dort verwendeten Parolen und Transparente möglicherweise strafrechtliche Relevanz haben. 

Das Thema Islamismus und der Umgang damit nimmt in der Bürgerschaft breiten Raum ein. Demonstrationen wie die der Gruppe "Muslim Interaktiv" sind nach geltendem Recht nicht per se zu verbieten. Der Rechtsstaat gilt für alle, auch für denjenigen, der gegen den Rechtsstaat ist.

 Mögliches Verbot von „Muslim Interaktiv“

 Wir als Hamburger SPD fordern ein Verbot von „Muslim Interaktiv“. Ein Ansatz hierzu ist die Organisierung als Verein von „Muslim Interaktiv e.V.“. Mit dem Vereinsprivileg sind zahlreiche Rechte verbunden. Wer es wiederholt und wissentlich für antidemokratische Agitation missbraucht, muss mit dem Entzug dieses Privilegs oder einem Verbot rechnen. Bundesinnenministerin Faeser muss "Muslim Interaktiv e.V." als auch das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) schnellstmöglich verbieten. 

Sie sprechen den Rechtsextremismus an: Der aggressive Islamismus ist von seinem Spaltungspotential und seiner Demokratiefeindlichkeit her nicht besser als die Ideologie der Rechtsextremisten. Es spielt keine Rolle, ob demokratiefeindliche Aktionen von Islamisten oder etwa von Reichsbürgern kommen. Gegen beides muss sich ein Rechtsstaat wehren. 

Was eine künftige Einstellung von Joe Boateng als Lehrer angeht: Bei Beamten und Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes besteht aufgrund der Staatsnähe und im Gegensatz zu Arbeitnehmern im privaten Sektor eine explizite Pflicht zur Verfassungstreue. Diese Pflicht zur Verfassungstreue dürfte einer Einstellung von Herrn Boateng entgegenstehen.

Hamburg geht konsequent gegen Extremisten vor

 Hamburg geht im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten konsequent gegen Extremismus und Islamismus vor. Nach dem 7. Oktober 2023 hat Hamburg als einzige Stadt alle islamistischen und anti-israelischen Demonstrationen mittels Allgemeinverfügung untersagt. Nach einer nicht genehmigten Demonstration aus dem Umfeld von „Muslim Interaktiv“ im vergangenen Herbst, bei der es Ausschreitungen gegeben hatte, wurde eine konsequente Strafverfolgung und wurden auch Durchsuchungen bei mutmaßlichen Rädelsführern durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurde auch eine Reihe von Social-Media-Auftritten von den Sicherheitsbehörden überprüft und abgeschaltet. Ende 2023 wurde das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) durchsucht und der Leiter des IZH ausgewiesen. 

Der Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde hat einmal gesagt: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“ 

 In diesem Sinne: Wer unsere freiheitlichen Werte und unsere Verfassung angreift, greift uns alle an. Wir sind als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gefragt, die Demokratie zu verteidigen.

 Mit besten Grüßen Kazim Abaci

 

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