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Frage von Lucas von G. •

Frage an Peter Gauweiler von Lucas von G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gauweiler,

ich habe eine Frage im europapolitischen Kontext. Da sie jedoch weitreichende Folgen für uns alle hat möchte ich mich damit auch direkt an Sie wenden: Die EU-weite Vereinheitlichung des Datenschutzes steht kurz bevor, die entsprechenden Gesetzesvorlagen sind laut aktueller Berichterstattung in enormem Umfang mit Ideen und Textbausteinen von Lobbygruppen durchsetzt, welche die Interessen großer Firmenvertreten. Bitte beschreiben Sie doch einmal inwieweit Sie mein Grundrecht auf Datenschutz verteidigen? Und: Wie schützen Sie sich gegen den einseitigen Einfluss der Lobbygruppen?

Besten Dank & Gruß,
Lucas von Gwinner

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr von Gwinner,

besten Dank für Ihre Frage zur EU-weiten Vereinheitlichung des Datenschutzes.

Bei der Datenschutzgrundverordnung, die sich im Gesetzgebungsverfahren befindet, handelt es sich um einen weiteren Schritt zur europäischen Zentralisierung. Alle Zentralisierungsmaßnahmen bedürfen kritischer Überprüfung. So sinnvoll europaeinheitliche Regelungen in manchen Bereichen auch sind, so ist doch immer zu bedenken, dass sie den Wettbewerb der Länder um die besten Lösungen ausschließen. Monopolisierung statt Wettbewerb aber ist eine Kreativitätsbremse. Das lässt sich nur rechtfertigen, wenn es zwingende Gründe für eine Vereinheitlichung gibt. Die sehe ich beim Datenschutz nicht. Sinnvoll wäre es, wenn die EU sich hier darauf beschränkte, anspruchsvolle Mindeststandards zu setzen, und den Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit zu optimierenden Ausgestaltungen ließe.

Sorgen macht mir vor allem, dass bei Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung in ihrem gesamten Anwendungsbereich die Kontrollzuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts entfällt. Wer die Geschichte des Datenschutzes kennt, weiß, dass es das Bundesverfassungsgericht war, das die Entwicklung eines effektiven Datenschutzes maßgeblich vorangetrieben hat. Immer wieder haben die Karlsruher Richter dem Gesetzgeber wesentliche Verbesserungen des Datenschutzes abverlangt. Dieser Impulsgeber für die Fortentwicklung des Datenschutzes wird jetzt ausgeschaltet. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Europäische Gerichtshof diese Rolle in gleicher Weise übernehmen wird. Dies ist besonders deshalb schlimm, weil die Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Kommission eine Vielzahl von Ermächtigungen zum Erlass von Durchführungsverordnungen gibt; darauf haben die nationalen Parlamente keinen Einfluss mehr. Das macht das Datenschutzrecht sehr unübersichtlich und schwächt den Rechtsschutz zusätzlich. Der Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, die Zahl dieser Ermächtigungen deutlich zu reduzieren.

Sie fragen, wie ich das Grundrecht auf Datenschutz verteidige. Die Antwort ist: dadurch, dass ich mich gegen nicht gerechtfertigte Zentralisierungen wende; dagegen, dass die politische Verantwortlichkeit im bürgerfernen Behördendschungel von Brüssel verschwindet; dagegen, dass unserem Bundesverfassungsgericht die Kontrollkompetenz genommen wird.

Ich meine allerdings, dass es zu kurz gegriffen ist, dies alles nur in Bezug auf den Datenschutz zu betrachten. Zentralisierungstendenzen und damit verbundene Verkürzungen von Bürgerrechten gibt es fast flächendeckend. Ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter des Subsidiaritätsprinzips. Staatliche Regelungen müssen möglichst bürgernah getroffen werden, weil nur so wirksame Kontrolle der öffentlichen Gewalt möglich ist. Wer eine flächendeckende Zentralisierung und die immer weiter fortschreitende Verlagerung der Kompetenzen von den unteren Ebenen (Kommunen, Länder, Mitgliedstaaten) hin zur Brüsseler Zentrale billigt, braucht sich nicht zu wundern, wenn diese Zentralisierung auch den Datenschutz erfasst. Wer generell die immer weitere Zentralisierung als europäischen Fortschritt feiert, hat kaum Chancen, eine im Einzelfall – wie beim Datenschutz – unerwünschte weitere Zentralisierung zu verhindern. Für mich als Abgeordneter ist es daher ganz entscheidend, mich nicht nur im Datenschutz, sondern generell für eine bürgernahe Politik, das heißt für die Stärkung der gliedstaatlichen Entscheidungsebenen, einzusetzen und der Tendenz zu immer weiter fortschreitender Zentralisierung entgegenzutreten. Dem widme ich meine Arbeitskraft als Abgeordneter, wie ich insbesondere mit meiner Klage gegen den Vertrag von Lissabon, aber auch mit Klagen gegen die „Euro-Rettung“ – also gegen die Schaffung einer Haftungs- und Transferunion – und durch entsprechende parlamentarische Aktivitäten unter Beweis gestellt habe.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass der Bundesrat sowohl gegen den Entwurf der Datenschutzgrundverordnung als auch gegen den Entwurf der ergänzenden Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung eine Subsidiaritätsrüge erhoben hat (Beschluss vom 30.3.2012, BR-Drs. 52/12).

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass insbesondere im Europäischen Parlament unter dem Einfluss von Lobbygruppen Änderungsvorschläge eingebracht worden sind, die den Datenschutz verschlechtern würden. Der Bundestag ist in seiner Stellungnahme jedenfalls einigen solcher Verschlechterungsversuche entgegengetreten.

Sie fragen, wie ich mich gegen den einseitigen Einfluss von Lobbygruppen schütze. Das ist natürlich bei einer so komplexen Materie nicht einfach, zumal die geplanten Regelungen in ihren Auswirkungen für jemanden, der nicht selbst Experte auf diesem Gebiet ist, nicht immer leicht durchschaubar sind. Ich persönlich bemühe mich deshalb, neutralen wissenschaftlichen Sachverstand heranzuziehen und mich so gut wie möglich interessenunabhängig zu informieren. Beispielsweise habe ich rechtswissenschaftliche Fachliteratur zu diesem Thema auswerten lassen, um mir eine unabhängige Meinung zu der geplanten EU-Verordnung zu bilden. Sofern von außen Vorschläge an mich herangetragen werden, informiere ich mich selbstverständlich über den Hintergrund der betreffenden Person oder Organisation und ziehe Informationen aus anderen Quellen heran, um solche Vorschläge neutral beurteilen zu können.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Gauweiler, MdB